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Einblick in die Seemannsmission Bremen – Manuela Schäfer erzählt...

Die Seefahrt ist bei vielen verbunden mit Freiheit, Weite, Abenteuer und Sehnsucht. Doch die Realität ist ein knallhartes Business mit langen Arbeitszeiten, wenig Landgängen, befristeten Verträgen und kaum Urlaub. Seefahrer sind disziplinierte Facharbeiter, die sich über die Arbeitsbedingungen kaum beschweren.
Manuela Schäfer hat einen Teil ihres Bildungsurlaubes in der Seemannsmission Bremen verbracht, einem Ort der Spezialseelsorge. Bei einem Vortrag hat Sie über Ihren Aufenthalt berichtet, da sie die Eindrücke davon, gerne mit der Öffentlichkeit teilen möchte.

Ingenieure und Nautiker unter den Seeleuten sind gebildete, studierte Fachleute, die in ihrer Heimat gemachte Leute sind. Ausser den Binnenschiffern gibt es wenige europäische Seeleute und die mit Abstand grösste „Seefahrernation“ sind die Phillipinos.
90 % des internationalen Warenaustausches geht über See. Das ist oft den Verbrauchern nicht bewusst. Etwa 1.6 Mio Seeleute sind in der Handelsschiffart aktiv, jeden Monat müssen rund 100 000 von ihnen abgelöst werden.
Viele Reedereien setzen auf „Billigflaggen“ aus Drittstaaten, z.B. Panama, Liberia, Cayman Islands, somit gelten dort nicht europäische Arbeitsbedingungen.

Depressionen sind häufig unter Seeleuten und die Suizidrate ist hoch. Bei Fahrtrouten z.B. um Westafrika im Golf von Guinea gibt es immer noch hochbrutale Piratenüberfälle. Wer zur See fährt, ist oft monatelang nicht zuhause und getrennt von seiner Familie und seinen Freunden. Das Leben spielt sich an Bord eines Schiffes ab.

Die Seelsorger der Seemannsmission in Bremen möchten auf die persönliche Lage der Seeleute aus aller Welt eingehen. Sie besorgen für sie Einkäufe, stehen für Gespräche zur Verfügung oder halten Gottesdienst, falls das gewünscht ist. Die vermittelte Wertschätzung ihrer Arbeit und Person durch die Seemannsmission nehmen die Seeleute mit tiefer Dankbarkeit auf. Insbesondere, dass sie als Menschen hinter dem Stacheldrahtzaun, den Blechkisten und in den grossen Stahlkolossen wahrgenommen werden.

Explizite religiöse Kommunikation gibt es in den kurzen Begegnungen, die Manuela erlebt hat, selten. Das menschliche Miteinander und praktische Hilfeleistungen stehen im Vordergrund. Dies jedoch mit einer dezidiert christlichen Einstellung der Organisation und ihrer Mitarbeitenden, die sich für nichts Geringeres als die Würde der Seeleute einsetzten.

Das Arbeitssystem an Bord funktioniert sehr hierarchisch. Die Seeleute erzählten aber auch von guter Arbeitsatmosphäre bis hin zu familiärem Zusammenhalt und die Führungsqualitäten, der Kapitäne sind in der Regel gut.

Wir haben Manuela ein paar Fragen gestellt:

Wie entstand die Idee der Bremer Seemannsmission?

Die Bremer Seemannsmission existiert seit mehr als 160 Jahren und ist damit die Älteste in Deutschland. Das Seemannsheim als Unterkunft für Seeleute und ihre Familien hat ein Reeder gegründet (2018 wurde sie leider geschlossen). Die Idee, sich auch Menschen zu widmen, die durch ihren Beruf keinen regelmässigen Kontakt zu ihren Kirchgemeinden halten können, kam in Deutschland um 1880 vom Pfarrer Johann Heinrich Wichern, der als Gründer der heutigen Diakonie gilt.

Wie viele Schiffe kommen da täglich an und wie viele Seemänner profitieren von diesem Angebot? 

Bis zu 200 Schiffe kommen im Monat in die Häfen mit ca. 2500 Seeleuten an Bord.

Was fasziniert dich an der Arbeit der Seemannsmission Bremen?

Die Begegnungen mit den unterschiedlichen Menschen aus aller Welt und ihre Geschichten. Sie durch Gespräche und Hilfestellungen unterstützen zu können und ihnen etwas Ablenkung vom Berufsalltag zu schenken. Und das alles in der hochtechnisierten Welt des Hafens und der Schiffe.

Wie kann man sich das vorstellen, wenn jeden Morgen der Diakon zusammen mit ehrenamtlichem Bordbesuchern die Besatzungen der im Hafen von Bremen liegenden Schiffe besucht. Was passiert da genau?

Je nach Situation Unterschiedliches: Smalltalk und intensive Themen, Zeitungen und Geschenke verteilen, kleine Einkäufe ermöglichen, durch Telefonkarten oder WLAN-Boxen die Kommunikation nach Hause ermöglichen, die Seeleute mit dem Shuttleservice zur Freizeit in die Stadt oder in den Seemannsclub fahren, ...

Funktioniert diese Organisation nur über Spenden und ehrenamtlichen Mitarbeitern oder wird Sie auch noch staatlich unterstützt?

Trägerin der Bremer Seemannsmission ist die evangelische Kirche und wird durch sie sowie Kollekten, Spenden und einzelne Projektfinanzierungen finanziert.

Was denkst du, wieso diese Organisation so wichtig ist?

Sie kümmert sich um eine Berufsgruppe, ohne die die Weltwirtschaft zusammenbrechen würde, die jedoch kaum im öffentlichen Fokus steht, und setzt sich für ihre Interessen ein. Menschen, die einen extrem anspruchsvollen beruflichen Alltag haben, bekommen Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Hilfe.


Liebe Manuela, vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast, unsere Fragen zu beantworten. Organisationen wie die Seemannsmission Bremen sind wichtig und wir sind dankbar, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst und auf die Situation aufmerksam machst.
Vielleicht ist ja unter unseren Leserinnen und Lesern jemand, der die Bremer Seemannsmission auch einmal für eine Zeit supporten möchte…https://www.bremerseemannsmission.de/

Autor

Kulturblog Uster

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Kategorie

  • Dies & Das
  • Literatur

Publiziert am

20.06.2023

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